Inhalt

Crowdworking

Auf Crowdworking-Plattformen finden sich fliessige Bienen für viele Arbeiten.

Unternehmen zerlegen Arbeiten in kleine Projekte und vergeben sie für oft geringe Honorare an Freie – Crowdworking nennt sich das. Was wird aus den Arbeitnehmern? Früher gab es Outsourcing, die Verlagerung von Unternehmensteilen nach Osteuropa oder Asien. Heute gibt es „Crowdsourcing“, oft auch „Crowdworking“ oder „Gig-Economy“ genannt, die Verlagerung von Arbeit auf Menschen in der ganzen Welt. Wo diese Menschen sitzen, ob in Bonn oder Bukarest, ist völlig egal. Wichtig ist nur, dass sie die Arbeit erledigen.

Was ist Crowdworking?

»Crowdsourcing« meint die Praxis, Arbeit an eine nicht näher definierte »Menge« (crowd) auszugliedern. Das Internet macht es möglich: Dort sind in den vergangenen Jahren Hunderte von Arbeitsvermittlungsplattformen entstanden, die Auftraggeber und Auftragnehmer so geschmeidig zusammenbringen wie nie zuvor.

Bisher galt Crowdworking als Nische, in der Hilfskräfte zu Hause auf ihren Computern simple Aufgaben abarbeiten oder zwischen U-Bahnhof und Büro für einen Centbetrag schnell mal ein Plakat fotografieren. Die Arbeitsaufträge aus Internetbörsen galten als prekär, manchmal skurril und vor allem: gesamtwirtschaftlich unbedeutend.

Doch inzwischen ist die Nische groß geworden. Crowdworker schreiben nun Texte, liefern Chemikalien, testen Handys, entwerfen Verpackungen, planen Häuser, betreiben Marktforschung, entwickeln Software, gestalten Werbekampagnen oder entwickeln neue Produkte – und sie tun dies eben auch im Auftrag großer Konzerne. Einzelpersonen können jetzt Aufgaben erledigen, für die früher eine professionelle Infrastruktur nötig war. Seien es kleine, einfache Tätigkeiten, die jeweils nur mit einigen Euro vergütet werden, oder große, umwälzende Programmierprojekte, für die es Tausende von Euro gibt.

In den Vereinigten Staaten ist bereits von der gig economy die Rede, einer Ökonomie, in der Arbeitnehmer kein festes Gehalt mehr bekommen, sondern nur noch Gagen für lauter kurze Einsätze, die gigs. Jeder dritte Amerikaner hat Studien zufolge schon mit dieser Art des Geldverdienens Erfahrung.

Der durchschnittliche Crowdworker in Deutschland ist 36 Jahre alt und überdurchschnittlich gebildet. Etwa jeder zweite hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Das heißt, die können was. Und viel wichtiger: Sie wollen sich nicht unterordnen.

Programmierer vor Monitor

Crowdworking als Thema im Bundestag

Zum Thema Crowdworking und Gig-Economy (Plattform-Ökonomie) hat die Fraktion Die Linke am 20.11.2018 eine Kleine Anfrage (Bundestags-Drucksache 19/5701) gestellt. Die Bundesregierung soll unter anderem Auskunft geben über die Zahl der Unternehmen, die Crowdworking nutzen, über die Vergütungsstruktur auf diesen Plattformen sowie über den arbeitsrechtlichen Status der Crowdworker. In Ihrer Antwort (Bundestags-Drucksache 19/6186) teilt die Bundesregierung mit, dass zur Nutzung von Crowdworking noch keine amtlichen Daten vorliegen.

Wie finden Crowdworker zusammen?

Auftraggeber finden Crowdworker in der Regel über Crowdworking-Plattformen. Dort werden die Jobs ausgeschrieben. Ein Kunde, mehrere Angebote, ein Gewinner – das ist nicht ungewöhnlich im Kreativbereich. Doch wo früher vier oder fünf Werbeagenturen in einem „Pitch“ ihre Entwürfe präsentierten und auf Geld hofften, kämpfen heute Hunderte oder Tausende Wettbewerber auf den Crowdworking-Plattformen um den Zuschlag. Dabei tragen meist keine großen Agenturen das unternehmerische Risiko, sondern einzelne Selbstständige. So treibt Crowdworking den permanenten Konkurrenzkampf auf die Spitze.

Und das für eine wachsende Zahl von Menschen. Allein die Berliner Crowdworking-Plattform Jovoto hat nach eigenen Angaben 80.000 registrierte Teilnehmer. Der Jovoto-Konkurrent Clickworker zählt sogar mehr als 700.000 Mitglieder, monatlich kommen nach Firmenangaben bis zu 15.000 dazu. Der größte Player der Branche sitzt im australischen Sydney und hat 18 Millionen Nutzer sowie 8,2 Millionen Microjobs in 250 Ländern erledigt: Freelancer.com. Manche Plattformen bieten feste Honorare für einzelne Aufträge, andere zahlen nur Preisgelder aus. Gemeinsam ist allen Angeboten aber, dass ihre Crowdworker aus der ganzen Welt kommen und miteinander konkurrieren. Einem Report der Internationalen Arbeitsorganisation aus Genf zufolge sind weltweit allein bei elf großen Crowd-Plattformen schon um die 20 Millionen „Arbeiter auf Abruf“ Teil dieser Ökonomie. Hierzulande gebe es 750.000 von ihnen, schätzt der Deutsche Crowdsourcing Verband.

Sind Crowdworker selbständig?

Mit der neuen Form des Outsourcings von Arbeit ändert sich die Machtbalance in der Arbeitswelt. Mindestlohn, Kündigungsschutz, Streikrecht, Urlaubsanspruch, Rente, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – für Crowdworker gilt all dies in der Regel nicht. Sie werden nicht wie Angestellte, sondern wie freie Dienstleister behandelt. Die Crowdworker sind – so sehen sie und ihre Auftraggeber es jedenfalls – unabhängige Auftragnehmer, also selbständig Erwerbende, sog. Solo-Selbständige, wodurch sie typischerweise von den Bestimmungen des Arbeitsschutzes und der Sozialversicherung ausgeschlossen sind. Wie bei allen Solo-Selbständigen ist aber auch hier die Gefahr von Scheinselbständigkeit naheliegend.

Auch die Gewerkschaften haben sich des Themas angenommen: Mehrere Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen in verschiedenen Ländern setzen sich für Crowdworker und Plattform-Beschäftigte ein: In Deutschland können Solo-Selbstständige seit 2016 Mitglied der IG Metall werden; sie konzentriert sich auf Crowdworker. Die Gewerkschaften informieren dazu auf der Plattform http://faircrowd.work. Im Dezember 2016 hat die IG Metall gemeinsam mit mehreren internationalen Organisationen Anforderungen für sozial nachhaltige Arbeitsbedingungen auf digitalen Plattformen veröffentlicht, die Frankfurter Erklärung zu plattformbasierter Arbeit. Darin fordern sie beispielsweise, dass die Online-Plattformen eine Prüfung des Beschäftigungsstatus (also, ob es sich bei einer Person um einen Angestellten oder um einen selbständigen Auftragnehmer handelt) sowie der gesetzlichen Bestimmungen zu Arbeitseinkommen, Steuerrecht, relevanten Arbeitsmarktregulierungen, relevanten internationalen Arbeitsabkommen wie etwa die Verbote von Zwangsarbeit und Kinderarbeit, Antidiskriminierungsgesetze und die Pflicht zur Einzahlung in soziale Sicherheitssysteme vornehmen.

Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 4.12.2019 (8 Sa 146/19) dazu Stellung bezogen, ob Crowdworker überhaupt mit Arbeitnehmern vergleichbar sind und diese Frage verneint. Der Begriff des Arbeitnehmers setze eine Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit voraus. An dieser Weisungsgebundenheit fehle es bei Crowdworkern: Diese zeichnen sich durch ihre Freiheit im Hinblick auf Zeit, Ort und Inhalt der geschuldeten Dienstleistung aus. Interessant war, dass der Kläger im dort entscheidenen Prtozess seinen Lebensunterhalt überwiegend mit Crowdworking auf einer Plattform bestritt. Dies änderte nichts an der Betrachtung des Gerichts. Richtigerweise kann die wirtschaftliche Abhängigkeit allein kein Arbeitsverhältnis begründen.

Nun ist aber zu beachten, dass neben der Weisungsgebundenheit auch die organisatorische Eingliederung des Status als Arbeitnehmer vermitteln kann. Das ist vor allem der Fall, wenn Betriebsmittel des Geschäftsherrn – etwa Programme – zur Erbringung des Arbeitsergebnisses genutzt werden.

Sind die Crowdworking-Plattformen Arbeitsvermittler?

Die Online-Arbeitsplattformen sehen sich selbst nicht als Arbeitgeber und erwarten von ihren Beschäftigten, dass diese sich als »unabhängige Auftragnehmer« oder »Selbständige« und nicht etwa als Beschäftigte bezeichnen. Die Plattformbetreiber bestimmen nichtsdestotrotz die grundlegenden Arbeitsbedingungen: Sie entscheiden, »wie oft und in welchem Zusammenhang [Kunden und Beschäftigte] miteinander in Verbindung treten, welche Informationen von [Kunden und Beschäftigten] gesammelt und wie diese Informationen angezeigt werden«; außerdem »legen sie fest, welche Transaktionen zulässig sind, wie der Zugang gestaltet ist, welche Verträge und Preise erlaubt sind und so weiter.«

Auch wenn Plattformen nicht unmittelbar die Entgelte bestimmen, können sie Maßnahmen ergreifen, um das Verhältnis von verfügbarer Arbeit und Beschäftigten zu steuern, etwa indem sie die Registrierung neuer Beschäftigter begrenzen oder in Zeiten hoher Nachfrage die Preise anheben.

Je mehr Kontrolle eine Plattform über ihre Beschäftigten ausübt, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie rechtlich als Ar
beitgeber angesehen und damit auch für die Begleichung der entsprechenden Kosten verantwortlich gemacht werden kann. Und wenn der Crowdworking-Plattform Arbeitgeberstatus beizulegen ist, dann liegt Leiharbeit vor. Die ist in Deutschland erlaubnispflichtig. Ohne eine Erlaubnis handelt es sich um illegale Arbeitnehmerüberlassung.

Was haben Unternehmen zu beachten, die Crowdworker einsetzen?

Jedes Unternehmen, das Crowdowrker einsetzt, sollte den Beschäftigungsstatus vorab klären. Ist der Crowdworker nämlich ein Scheinselbständiger, so treffen auch den Auftragnehemr unangenehme Folgen: Er hat sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Pflichten zu erfüllen. Erfüllt er diese nicht, liegt Schwarzarbeit vor, die hohe Nachzahlungen und Strafbarkeit nach sich zieht.

Nach der oben genannten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München fehlt es regelmässig an der Weisunsggebundenheit. Dies muss aber auch im Einzelfall so sein. Überdies ist darauf zu achten, dass nicht ein Fall der organisatorischen Eingliederung des Crowdworkers vorliegt und er deswegen zum Arbeitnehmer wird.


Bitte folgen oder weitersagen

RSS
EMAIL
TWITTER
Follow Me
LINKEDIN

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Schließen