Obenhaus / Brügge / Herden / Schönhöft, Kommentar zum Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz

Obenhaus / Brügge / Herden / Schönhöft, Kommentar zum Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz

Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken durch Ignorieren möglicher Scheinselbständigkeit

Inhalt

In der Praxis zeigt sich, dass Scheinselbständigkeit in vielen Branchen allgegenwärtig ist. Ebenso zeigt sich, dass die betroffenen Unternehmer sowie die rechtlichen und steuerlichen Berater, sofern sie denn für das Thema sensibilisiert sind, weder die Dimension des Themas zutreffend erfassen noch so recht das Thema zu greifen wissen. Dies gilt selbst, wenn das Problem akut wird. Dabei ist es für die betroffenen Unternehmer von existentieller Bedeutung.

Problemstellung

Der Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG[1] die Scheinselbständigkeit als einen Fall der Schwarzarbeit definiert. In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, versicherungspflichtig. Da selbständig Tätige in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis zählen und in der Rentenversicherung nur ein kleiner Kreis selbständig tätiger Personen versicherungspflichtig ist, ist die Unterscheidung zwischen einer selbständigen Tätigkeit und einer Beschäftigung als Arbeitnehmer so bedeutsam. Eben hierin liegt der wesentliche Grund für Scheinselbständigkeit: Die Einordnung als selbständiger Auftragnehmer ist für den Auftraggeber nicht nur preisgünstiger sondern wegen des Verzichts auf Meldungen und Abrechnungen vor allem bequemer.

Selbständige und Nichtselbständige Arbeit

Das Sozialgesetzbuch enthält keine aussagekräftige Definition des Arbeitnehmers und des Beschäftigten. Nach § 2 Abs. 2 SGB IV sind „in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige versichert: 1. Personen, die gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind …“. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist „Beschäftigung … die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“. Der Begriff des Beschäftigten im Sinne des Sozialversicherungsrechts entspricht im Wesentlichen dem des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht.[2] Entscheidend für das Sozialrecht war und ist aber letztlich der Begriff des Beschäftigten, der zumindest nach der sprachlichen Fassung des § 7 Abs. I SGB IV der Oberbegriff zu dem des Arbeitnehmers ist.[3]

Abgrenzung

Das Beschäftigungsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines freien Dienstleisters oder Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erledigung der Dienst- oder Werkleistung. Arbeitnehmer ist, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistungen im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die wichtigsten Stichworte sind bereits genannt: Eingliederung in eine betriebliche Organisation und Weisungsgebundenheit.[4]

Feststellungslast

Es bestehen keinerlei Vermutungsregeln für die Unselbständigkeit einer Beschäftigung.[5] Den Einzugsstellen und Rentenversicherungsträgern obliegt damit im Rahmen der Beitragserhebung und -prüfung selbst dann, wenn der Erwerbstätige seine Mitwirkungspflichten nach den § 28o SGB IV, § 206 SGB V oder § 196 SGB VI verletzt, wieder die volle materielle Beweislast dafür, dass der Betreffende seine Tätigkeit in nichtselbständiger Arbeit verrichtet.[6]

Dabei stützt sich die Verwaltungspraxis jedoch auf Beweisanzeichen und reiht eine Vielzahl von Berufsgruppen katalogmäßig ein.[7] Dieser Katalog begründet jedoch keine Vermutung, da Vermutungen nur der Gesetzgeber aufstellen darf. Es handelt sich um eine Verwaltungsanweisung i. R. d. Statusfeststellung, die lediglich eine Selbstbindung der Verwaltung herbeiführt.

Widersprüchliches Verhalten

In der Praxis kranken viele Gestaltungen an widersprüchlichem Verhalten. Der Unternehmer muss seine freien Mitarbeiter, Werkvertrags-, Franchisevertragspartner usw. auch als solche behandeln, ihnen also rechtlich und tatsächlich ein bestimmtes Maß an Selbständigkeit belassen. Die Bezeichnung der Tätigkeit oder des Tätigen im zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ist nicht maßgeblich, sondern allenfalls ein Indiz im Rahmen der Gesamtbetrachtung. Es ist nötig, dass die vertragliche Bezeichnung und die tatsächliche Durchführung übereinstimmen. Eben die tatsächliche Durchführung ist entscheidend.[8] Erteilt er Weisungen und verfügt er über die Arbeitskraft des Mitarbeiters in einem Maße, wie es nur in einem Arbeitsverhältnis zulässig ist, muss er sich nicht wundern, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert wird. Allein durch die Überbürdung von Unternehmerrisiken wird der Beschäftigte nicht zum Selbständigen. Auf der sicheren Seite ist der Unternehmer nur, wenn auch die Arbeitsbedingungen unterschiedlich sind, die „Leine“ also beim freien Mitarbeiter möglichst deutlich länger ist als beim Arbeitnehmer.[9]

Pflichten

Aus der Eigenschaft als Arbeitgeber folgt eine Reihe von sozialversicherungsrechtlichen und lohnsteuerlichen Pflichten.

Meldepflichten und Erklärungspflichten

Ein Arbeitgeber hat nach § 28a SGB IV, § 200 Abs. 1 SGB V, §§ 190 bis 194 und § 281c SGB VI verschiedene Meldepflichten gegenüber der Einzugsstelle (§ 28i SGB IV) bezüglich jedes kraft Gesetzes in der Kranken, Pflege- und Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherten Arbeitnehmers Mitteilung über Beginn und Ende der versicherungspflichtigen Tätigkeit zu machen, sowie entsprechende Beitragsnachweise einzureichen, Dafür gelten die Vorschriften der DEÜV. Gemäß § 28e SGB IV hat er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) an die Einzugsstelle zu zahlen. Ihn treffen nach § 28f SGB IV verschiedene Aufzeichnungs- und Nachweispflichten, die für die Überwachung der ordnungsgemäßen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge notwendig sind. Entsprechendes gilt für die Lohnsteuer (§§ 39b39d, 41, 41a EStG).

Prüfungsobliegenheit

Die Erklärungs- und Meldepflichten knüpfen an den Status des abhängig Beschäftigten an. Dieser Status ist jedoch zunächst festzustellen, was eine vorherige Prüfung nahezu zwangsläufig voraussetzt. Soweit behauptet wird, dass der Auftraggeber – wie auch sonst jeder Arbeitgeber bei seinen Mitarbeitern – zu prüfen hat, ob ein Auftragnehmer bei ihm abhängig beschäftigt oder für ihn selbständig tätig ist,[10] so folgt daraus jedoch keine Pflicht zur Prüfung.

Zu den Aufgaben des Unternehmers oder des Geschäftsführers einer GmbH gehört es, dafür zu sorgen, dass die der Unternehmung bzw. Gesellschaft auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten erfüllt werden.[11] Es bestehen jedoch öffentlich-rechtliche Pflichten allein dahingehend, die vorstehenden Melde- und Aufzeichnungspflichten zu erfüllen und die Sozialbeiträge abzuführen. Damit ist es ein eigenes Interesse des Auftraggebers festzustellen, ob er Arbeitgeber ist. Es ist also eine Prüfobliegenheit, deren Verletzung selbst noch keine Folgen auslöst. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Geschäftsführer die Pflichten nicht in eigener Person erfüllen braucht, sondern sie delegieren kann, ihm aber Überwachungspflichten verbleiben.[12] Diese Pflicht, die Erfüllung von Melde-, Erklärungs- und Zahlungspflichten zu überwachen, ist aber nicht mit einer Pflicht zur Statusprüfung gleichzusetzen.

Delegiert der Geschäftsführer die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen und lohnsteuerlichen Pflichten, kann den damit Beauftragte eine haftungs- und strafrechtlich relevante Garantenpflicht treffen. Dies setzt aber voraus, dass der Beauftragte nicht lediglich mit der Erledigung der Aufgaben betraut ist. Er muss gegenüber der Unternehmensleitung die Pflicht übernommen hat, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden, also verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB und nicht lediglich Verrichtungsgehilfe i. S. des § 831 BGB ist.[13]

Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung von Verstössen

Von wesentlicher Bedeutung ist, dass der Unternehmer bzw. jeder Geschäftsführer für die Einhaltung der Pflichten einzustehen hat, und zwar finanziell sowie strafrechtlich.

Nachentrichten von Sozialversicherung und Lohnsteuer

Werden die Tätigkeiten des eingesetzten Personals als sozialversicherungspflichtig eingestuft, so folgt daraus nicht nur die nunmehr beginnende Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen nebst damit eingehergehenden Melde- und Aufzeichnungspflichten; vielmehr droht die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer für zurückliegende Zeiträume. Die Nachzahlung ist für mehrere Jahre auf einmal fällig und führt regelmäßig zu einer großen Liquiditätsbelastung.

Sozialversicherung

Der Arbeitgeber schuldet die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e SGV IV, der durch einen Summenbeitragsbescheid gemäß § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV geltend gemacht wird.

Summenbeitragsbescheid

Der Summenbeitragsbescheid bemisst die nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträge an der Summe der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte. Dabei ist zu beachten, dass nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV eine gesetzliche Fiktion der Nettolohnabrede besteht. Mithin sind die Beiträge zusätzlich zu entrichten.

Regelmäßig ergeht der Summenbeitragsbescheid auf der Grundlage von Schätzungen (§ 28f Abs. 2 S. 3 SGB IV). Der Erlass eines Schätzungsbescheides (§ 28f Abs. 2 S. 3 SGB IV) hinsichtlich der Nachforderung von nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen ist rechtmäßig, wenn der Betroffene seine Aufzeichnungspflicht als Arbeitgeber aus § 28f Abs. 1 SGB IV verletzt hat und insbesondere keine vollständige Liste der persönlichen Daten der Beschäftigten vorlegt.[14]

Nachzuentrichten sind die rückständigen Beiträge. Dies umfasst die Beiträge seit Beginn der Versicherungspflicht, sofern sie nicht verjährt sind. Der Unternehmer muss rückwirkend für mindestens vier Jahre die gesamten Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeträge nachentrichten. Ansprüche der Sozialversicherungsträger verjähren grundsätzlich nach vier Jahren nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 StGB IV erst 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vom Arbeitnehmer kann er jedoch davon für höchstens drei Monate eine Zuzahlung verlangen.[15]

Befreiungen

In der Praxis zeigt sich, dass betroffene Unternehmer häufig darauf verweisen, für sie würden doch Studenten und Schüler oder geringfügig Beschäftigte tätig. Damit berufen sie sich also auf die Tatbestände für studentische Praktikanten nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sowie für geringfügige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 GBV V i. V. m. § 8 SGB IV. Dabei übersehen sie, dass es sich dabei um Befreiungen von der Versicherungspflicht handelt.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Befreiungstatbestände ist der Auftraggeber beweis- und feststellungsbelastet.[16] Die Einzugsstelle hat Befreiungstatbestände nach § 28f Abs. 2 S. 2 SGB IV dann im Summenbeitragsbescheid zu berücksichtigen, wenn sie ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand feststellen kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Dies setzt aber bereits entsprechende Aufzeichnungen des Auftraggebers voraus, was praktisch selten ist. Folglich lassen auf Schätzungen beruhende Summenbeitragsbescheide (§ 28f Abs. 2 S. 3 SGB IV) die Befreiungen außer acht.

Zeitlicher Rückgriff

Es gilt nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV die vierjährige Regelverjährung für sämtliche Beitragsansprüche der Sozialleistungsträger gegenüber dem abführungspflichtigen Arbeitgeber. Sind die Beiträge jedoch vorsätzlich vorenthalten worden, haftet der Arbeitgeber als Beitragsschuldner 30 Jahre nach Maßgabe des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV.[17]

Lohnsteuer

Hand in Hand mit der Sozialversicherungspflicht geht im Regelfall die Lohnsteuer. Somit besteht auch hier die Lohnsteuernachzahlung im Raum. Diese kann, wenn konkrete Aufzeichnungen fehlen, per Schätzungsbescheid gem. § 162 AO erfolgen.

Zwar ist hier die Einkommensteuer, die der Auftragnehmer bei ordnungsmäßiger Veranlagung bereits bezahlt haben müsste, auf die Lohnsteuer anzurechnen. Jedoch ist es Sache des Unternehmers, die Zahlungen nachzuweisen, was erheblichen praktischen Problemen begegnet. Wegen der Fiktion der Nettolohnabrede erhöht sich nachträglich die lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage und führt zu erneutem Zufluss beim Auftragnehmer.

Das Arbeitsentgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist vom steuerlichen Arbeitslohn zu unterscheiden, der sich nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG, § 2 LStDV bestimmt. Danach ist der tatsächlich zugeflossene Lohn maßgeblich. Die gesetzliche Fiktion der Nettolohnabrede in § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV verschafft dem Arbeitnehmer jedoch keinen Nachzahlungsanspruch. Die in § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV geregelte Fiktion einer Nettoarbeitsentgeltvereinbarung dient ausschließlich der Berechnung der nachzufordernden Gesamtsozialversicherungsbeiträge und hat keine arbeitsrechtliche Wirkung.[18] Von der Schaffung einer der Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV entsprechenden Norm im Steuerrecht hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen.[19] Dementsprechend bemisst sich das steuerpflichtige Arbeitseinkommen bei der Vereinbarung so genannter Schwarzlöhne zunächst nach dem tatsächlich zugeflossenen Barlohn. Jedoch führt die Nachentrichtung entzogener Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zur Zeit der Nachzahlung zum Zufluss eines zusätzlichen geldwerten Vorteils.[20]

Zudem liegt in der nachträglichen Zahlung der zusätzlichen Lohnsteuer für den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung ein weiterer Zufluss. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG). In der Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Schuld durch die Steuerentrichtung des Arbeitgebers liegt ein geldwerter Vorteil, der — wie jeder andere Vorteil auch — lohnsteuerlich zu erfassen ist. Dieser Vorteil wird durch eine Hochrechnung auf einen Bruttolohn ermittelt, der nach Abzug der Lohnsteuer / Lohnkirchensteuer den ausgezahlten Nettolohn ergibt. Damit ergibt sich ein lohnsteuerlicher Berichtungsbedarf.[21]

Der Auftraggeber hat den Berichtigungsbedarf nach § 153 AO, § 41c Abs. 4 EStG dem Betriebstättenfinanzamt anzuzeigen. Der Arbeitgeber ist zwar nicht Steuerschuldner, aber Steuerentrichtungspflichtiger (§ 43 Satz 2 AO), denn er hat die Lohnsteuer für Rechnung desArbeitnehmers einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (§§ 38 Abs. 1, 41a EStG). Der Arbeitgeber ist damit — unabhängig von seiner zusätzlichen Haftung — neben dem Arbeitnehmer Steuerpflichtiger.

Die Anzeige kann unterbleiben, wenn einer der in § 41c Abs. 1 EStG bestimmten Fälle vorliegt, in denen der Arbeitgeber berechtigt ist, nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung zu berichtigen. Das ist für das laufende Kalenderjahr und bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis der Fall, wenn der Auftraggeber erkennt, dass er die Lohnsteuer bisher nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat (§ 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 1. Hs. EStG). Die Lohnsteuer ist nach dem tatsächlichen Zufluss anzumelden (§§ 19, 11 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 2 S. 2 EStG, § 2 Abs. 1 S. 1 LStDV). Dieser erfolgt zur Zeit der nachträglichen Zahlung und damit im laufenden Jahr. Es kommt also darauf an, ob das Arbeitverhältnis zu der Zeit fortbesteht, um den Berichtigungsbedarf ohne gesonderte Anzeige zu erledigen. Sonst bedarf es der Anzeige, auf die das Finanzamt mit einer Steuerfestzung reagieren wird.

Zudem haftet der Arbeitgeber „für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Bei jeder fehlerhaften Lohnsteuereinbehaltung und -abführung erfüllt der Arbeitgeber in Bezug auf die Steuer eines jeden seiner Arbeitnehmer den Haftungstatbestand. Durch Lohnsteuerhaftungsbescheid wird, auch wenn der Bescheid nach Ablauf des Abzugsjahres ergeht, nicht eine Jahresteuerschuld des Arbeitnehmers geltend gemacht. Der Arbeitgeber wird in Anspruch genommen, weil er die Vorauszahlungen des Arbeitnehmers unzutreffend einbehalten und abgeführt hat. Es wird daher mit dem Haftungsbescheid eine Vorauszahlungssteuer geltend gemacht.[22] Während des laufenden Kalenderjahres bezieht sich die Haftung auf die als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer des jeweiligen Anmeldungszeitraums.[23]

Umsatzsteuer

Der als Selbständiger agierende Auftragnehmer erteilt regelmäßig Rechnungen. Soweit er nicht als Kleinunternehmer nach § 19 UStG auftritt und daher die Eingangsrechnungen die Umsatzsteuer gesondert ausweisen, so folgt aus der Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses als abhängig, dass die Leistung nicht umsatzsteuerbar war. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG lag nicht vor und ist rückwirkend zu berichtigen.[24]

Strafrechtliche Bedeutung von Pflichtverletzungen

Scheinselbständigkeit hat eine strafrechtliche Dimension. Dies zeigt schon der Umstand, dass durch das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB geändert wurde.[25]

Tauglicher Täterkreis

Für die Zahlung sowie die ordnungsgemäße Anmeldung und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist gemäß §§ 249 Abs. 1 SGB V, § 58 SGB XI, § 346 Abs. 1 SGB III, 28h Abs. 1 S. 1 SGB IV (allein) der Arbeitgeber verantwortlich, ebenso wie gemäß 28f Abs. 3 SGB IV für die Berechnung und die erforderlichen Erklärungen.[26] Bei § 266a StGB handelt es sich daher um ein echtes Sonderdelikt: Täter kann nur der Arbeitgeber oder eine ihm gleichgestellte Person sein.[27]

Eine eigenständige strafrechtliche Bestimmung des Arbeitgeberbegriffs existiert nicht. § 266a StGB knüpft allein an den Umstand der Anstellung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer an, die in persönlicher Abhängigkeit Dienste gegen Lohnzahlung leisten. Es genügt ein faktisches Arbeitsverhältnis, unabhängig vom Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrags.[28] Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, nicht die vertragliche Bezeichnung. Auch in Fällen der sog. Scheinselbständigkeit, in denen de facto ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht, ist daher die Arbeitgebereigenschaft im Sinne des § 266a StGB zu bejahen.[29]

Arbeitgeber kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein. Im letzteren Fall haften gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 StGB die Organe (bzw. deren Mitglieder) oder die vertretungsberechtigten Gesellschafter. Ausnahmsweise haftet gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 u. 2 StGB auch ein mit der Betriebsleitung oder eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung Beauftragter.[30] Gleiches gilt für die steuerstrafrechtliche Verantwortung.

Verwirklichte Tatbestände

Durch Scheinselbständigkeit erfüllt der Auftraggeber nahezu zwangsläufig den Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB. Danach ist das Nichtabführen von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung mit Strafe bewehrt.[31]

§ 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt das Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung unter Strafe, wenn dieses darauf beruht, dass der Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Einzugsstelle unrichtige oder unvollständige Angaben über Tatsachen macht, die Einfluss auf Grund und/oder Höhe der Sozialversicherungsbeiträge haben können. Die (Un-)Richtigkeit hängt von den objektiven Gegebenheiten ab; Unvollständigkeit liegt vor, wenn die Angaben entgegen dem Anschein der Vollständigkeit in wesentlichen Punkten lückenhaft sind.[32]

Nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB ist das Unterlassen verbindlich vorgeschriebener Angaben gegenüber den Sozialversicherungsträgern mit Strafe bewehrt. Der Arbeitgeber hat gegenüber der zuständigen Einzugsstelle bezüglich jedes kraft Gesetzes in der Kranken, Pflege- und Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherten Arbeitnehmers Mitteilung über Beginn und Ende der versicherungspflichtigen Tätigkeit zu machen, sowie entsprechende Beitragsnachweise einzureichen (s. oben IV. 1. a.). Das Merkmal des in Unkenntnis Lassens ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber als Mitteilungspflichtiger Tatsachen gar nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt. Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Eine Täuschung oder Irrtumserregung bei der Einzugsstelle ist nicht erforderlich.[33]

Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV („Statusfeststellungsverfahren“), in dem der Auftraggeber unzutreffende Angaben über die Art des Arbeitsverhältnisses zu seinem Auftragnehmer macht, nicht vor Strafbarkeit schützt.[34]

Ebenso geht regelmäßig eine Lohnsteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 StGB, §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19, 38 Abs. 1 und 3 S. 1 EStG einher.[35] Hinzutreten kann eine Umsatzsteuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 StGB, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 13a UStG, wenn aus Rechnungen des Auftragnehmers Vorsteuer gezogen wurde. Im Übrigen wird regelmäßig eine mittäterschaftliche Begehung von Auftraggeber und Auftragnehmer gegeben sein.[36]

Vorsatz

Die Strafbarkeit gem. § 266a StGB setzt jeweils zumindest Eventualvorsatz voraus, der sich auf sämtliche Merkmale des objektiven Tatbestands, also die Arbeitgebereigenschaft, die Fälligkeit der Beiträge, die Nichtzahlung, sowie die Möglichkeit zur Zahlung, beziehen muss.[37] Das gilt auch in den Fällen der Delegation der Beitragsabführung, in denen den Geschäftsführer (nur) eine Überwachungspflicht trifft; auch er muss hinsichtlich der Nichtabführung der Beiträge zumindest bedingten Vorsatz haben. Entsprechendes gilt für den subjektiven Tatbestands des § 370 AO, dem die Regelung des § 266a Abs. 2 StGB nachempfunden ist.[38]

Den Vorsatz sieht der Gesetzgeber als im Regelfall gegeben an, wenn er in der Gesetzesbegründung[39] feststellt, dass Verstöße gegen die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG genannten Melde- und Aufzeichnungspflichten nicht isoliert als Formalverstöße betrachtet werden können, sondern erfahrungsgemäß im Zusammenhang mit einer vom Arbeitgeber beabsichtigten strafbaren Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen stehen. Damit stellt er eine dahingehende allgemeine Erfahrung auf, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung herzuziehen ist. Dennoch ist zu beachten, dass ein Vorsatz nicht ungeprüft unterstellt wird, sondern im Einzelfall zu prüfen ist. Dies gebietet schon die Unschuldsvermutung gem. Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 EMRK.

Der Vorsatz folgt aus der Kenntnis aller Umstände und dem gemeinsamen Willen, über ein Arbeitsverhältnis zum Nachteil des Beitrags- und Steuergläubigers zu täuschen und daraus eine freie Tätigkeit durch einen selbständigen Unternehmer zu machen, obwohl alle wissen, dass es vom Inhalt und insbesondere von der Durchführung ein sozialbeitrags- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis ist und sein soll. Der wirtschaftliche Vorteil aus der zu Unrecht konstruierten Selbständigkeit liegt für den Auftraggeber bei der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen.[40]

Bei der Unkenntnis eines Beschäftigungsverhältnisses liegt ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) vor.[41] Jedoch muss sich der Vorsatz nur auf die pflichtbegründenden Umstände beziehen, insbesondere auf das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Weiß der Auftraggeber um sämtliche Umstände, die seine Stellung als Arbeitgeber begründen und geht er gleichwohl davon aus, keine Arbeitgeberstellung einzunehmen, so liegt ein den Vorsatz nicht berührender Subsumtionsirrtum vor, der allenfalls geeignet ist, einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) zu begründen.[42] Auch eine Fehlvorstellung über die Überwachungspflicht im Fall der Aufgabendelegation stellt einen bloßen Verbotsirrtum dar.[43]

Strafrahmen

Im Fall einer Verurteilung nach § 266a StGB sowie nach § 370 AO drohen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. § 266a Abs. 4 S. 2 StGB und § 370 Abs. 3 S. 2 AO enthalten je einen Katalog von Regelbeispielen, in denen ein besonders schwerer Fall vorliegt, mit einer Strafandrohung von sechs Monate bis zu zehn Jahren.

Den nicht abschließenden Regelbeispielen, die weitgehend übereinstimmen, kommt zwar indizielle Wirkung zu, dennoch kann aufgrund einzelfallspezifischer schuldmildernder Besonderheiten ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen sein. Umgekehrt kann ein solcher aber auch ohne die Voraussetzungen eines der benannten Regelbeispiele vorliegen.

Konkurrenzen

Beitragsvorenthaltung und Steuerhinterziehung stehen in Tatmehrheit zueinander, selbst wenn Steuer- und Beitragsteile sich auf denselben Arbeitnehmer beziehen und die Nichtabführung auf einem Gesamtplan beruht.[44] Auch zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III bzw. nach §§ 8 – 11 SchwarzArbG besteht Tatmehrheit.[45] Mit §§ 283, 283c, 288 StGB kann je nach Umständen Tateinheit (z. B. Beiseiteschaffen von Vermögenswerten zugleich als schuldhaftes Vorverhalten im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB oder Tatmehrheit gegeben sein.[46]

Selbstanzeige

In § 266a Abs. 6 StGB hat der Gesetzgeber – wie im Steuerstrafrecht in § 371 AO – die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige vorgesehen. Dem Arbeitgeber, der sich in einem voraussichtlich behebbaren finanziellen Engpass befindet, soll eine „goldene Brücke“ gebaut und seiner Situation Rechnung getragen werden, ohne indes die strafrechtliche Sicherung des Beitragsaufkommens zu gefährden.[47]

Abgabenrechtliche und zivilrechtliche Haftung

abgabenrechtliche Haftung

Der Arbeitgeber haftet gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Bei jeder fehlerhaften Lohnsteuereinbehaltung und -abführung erfüllt der Arbeitgeber in Bezug auf die Steuer eines jeden seiner Arbeitnehmer den Haftungstatbestand. Durch Lohnsteuerhaftungsbescheid wird, auch wenn der Bescheid nach Ablauf des Abzugsjahres ergeht, nicht eine Jahresteuerschuld des Arbeitnehmers geltend gemacht. Der Arbeitgeber wird in Anspruch genommen, weil er die Vorauszahlungen des Arbeitnehmers unzutreffend einbehalten und abgeführt hat. Es wird daher mit dem Haftungsbescheid eine Vorauszahlungssteuer geltend gemacht.[48] Während des laufenden Kalenderjahres bezieht sich die Haftung auf die als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer des jeweiligen Anmeldungszeitraums.[49]

Da der Arbeitgeber nur für die tatsächlich geschuldete Lohnsteuer haftet, kann er grundsätzlich alle Einwendungen gegen die materielle Lohn- bzw. Einkommensteuerschuld geltend machen, die dem Arbeitnehmer im Falle seiner Inanspruchnahme zustünden. Gemäß § 42d Abs. 3 S. 3 EStG kann der Arbeitgeber auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer veranlagt wird, weshalb es für die Haftung unerheblich ist, ob die Veranlagung berichtigt werden kann. [50]

Gemäß § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 EStG kann der Arbeitnehmer nur in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat. Seine Inanspruchnahme ist nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG ausgeschlossen,wenn er nicht weiß, daß der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht richtig angemeldet hat.

Der Geschäftsführer kann selbst nach §§ 6934 Abs. 1 AO in Anspruch genommen werden, wenn ihm wenigstens grobe Fahrlässigkeit an der Nichtanmeldung zur Last fällt. Eine den §§ 6934 AO entsprechende öffentlich-rechtliche Grundlage für einen Zahlungsanspruch gegen den Geschäftsführer gibt es für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge nicht. Es besteht aber u. U. ein Schadensersatzanspruch der Einzugsstelle aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB.

Regelmäßig werden die bei nichtabgeführter Lohnsteuer – oft existenz bedrohenden – sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen verkannt. Dabei sind die zuständigen Rentenversicherungsträger – nicht die Krankenkassen als Einzugsstellen – im Rahmen ihrer turnusgemäßen Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV i. V. m. § 10 Abs. 2 BVV[51] nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Berichte und Bescheide der Finanzverwaltung zur Überprüfung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge auszuwerten.[52]

zivilrechtliche Haftung

Es besteht die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme der verantwortlichen Person auf Arbeitgeberseite, z. B. eines Geschäftsführers (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB, § 370 AO, § 14 StGB). Geschütztes Rechtsgut der § 266a Abs. 1 u. 2 StGB und § 370 AO sind die öffentlich-rechtlichen Vermögensinteressen.[53] Dementsprechend ist § 266a Abs. 1 StGB als Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Sozialversicherungsträger anerkannt.[54] Diese Vorschriften dienen dagegen nicht dem Schutz der Vermögensinteressen einzelner Privatpersonen, sind insoweit eine Schutzgesetze i. S. des § 823 Abs. 2 BGB zu deren Gunsten.[55] Für den deliktischen Anspruch gilt aber – anders als für den sozialversicherungsrechtlichen – die zivilrechtliche Regelverjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB.[56]

Verletzt ein GmbH-Geschäftsführer Organisationspflichten (sog. Organisationsverschulden), so kann er dennoch der Haftung ausgesetzt sei, und zwar im Wege der Rückgriffshaftung gegenüber dem Unternehmen. Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, § 43 Abs. 1 GmbHG. Die Verletzung dieser Pflichten eröffnet die Inanspruchnahme des Geschäftsführers. Diese aus der Organstellung entspringende Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung besteht nur gegenüber der Gesellschaft. Nur dieser gegenüber entstünden grundsätzlich im Falle einer entsprechenden Pflichtverletzung Schadensersatzansprüche. Das gilt im Grundsatz auch, wenn es um ein Versagen des Geschäftsführers bei der Erfüllung von Pflichten geht, die die GmbH gegenüber Dritten zu erfüllen hat.[57]

Aufdeckungsrisiken

Prüfungen durch FKS oder Sozialversicherungsträger

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) führt Schwarzarbeitskontrollen durch, die auf die Aufdeckung unrechtmäßiger Arbeitsverhältnisse angelegt sind. Nach § 12 Nr. 2 FVG ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung als bedeutende Aufgabe der Hauptzollämter ausdrücklich zugewiesen. Gem. § 6 Abs. 3 SchwarzArbG unterrichtet die FKS die jeweils zuständigen Stellen, wenn sich Anhaltspunkte für Verstöße ergeben, deren Verfolgung in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen anderen Stelle fällt.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat in den Jahren 2005 bis 2010 folgende Strafverfahren eingeleitet bzw. erledigt:[58]

  2005 2006 2007 2008 2009 2010
eingeleitete Strafverfahren nicht erfasst 104.102 117.867 104.567 103.947 117.453
abgeschlossene Strafverfahren 81.290 91.820 117.441 106.960 104.003 115.980
Geldstrafen in Mio. Euro 21,2 19,8 25,4 33,9 33,7 29,8
Freiheitsstrafen in Jahren 995 1.123 1.398 1.556 1.813 1.981

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat in den Jahren 2005 bis 2010 folgende Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet bzw. erledigt: [59]

  2005 2006 2007 2008 2009 2010
eingeleitete OWi-Verfahren nicht erfasst 62.943 74.686 56.517 53.032 59.870
abgeschlossene OWi-Verfahren 53.852 54.087 72.969 63.274 61.531 70 146
Verwarnungs-gelder, Geldbußen, Verfall nicht erfasst nicht erfasst nicht erfasst 55.033 53.225 60.945

Die im Verhältnis zur Zahl der Verfahren deutlich steigende Summe sowohl der Geld- als auch der Freiheitsstrafen deuten auf ein erheblich gesteigertes Risiko hin.

Steuerprüfungen

Scheinselbständigkeit wird auch im Rahmen von Prüfungen betreffend die Umsatzsteuer aufgeworfen, sofern der Auftragnehmer dem Auftraggeber Rechnungen erteilt, aus denen dieser einen Vorsteuerabzug geltend macht.[60] Die Mitteilung an die Sozialversicherungsträger und an die Staatsanwaltschaft stellt nicht nur eine nach §§ 30 Abs. 4 Nrn. 1 und 2, 31a Abs. 1 AO zulässige Durchbrechung des Steuergeheimnisses dar. Vielmehr sind die Finanzbehörden gem. § 31a Abs. 2 AO zur Mitteilung verpflichtet.

Arbeitnehmerstatusprozesse

Verdeckte Arbeitsverhältnisse werden oftmals aufgedeckt in Arbeitsgerichtsverfahren, in denen um das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses gestritten wird. Darin können Feststellungen der Arbeitnehmereigenschaft auch für die Vergangenheit getroffen werden und welche Rechtsfolgen sich aus der Feststellung für Vergangenheit und Zukunft ergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es keinesfalls nur oder überwiegend die sog. Statusprozesse sind, in denen es entscheidend auf die Arbeitnehmereigenschaft ankommt. Einzubeziehen sind auch die vielen anderen Feststellungs- und Leistungsklagen, in denen die Arbeitnehmereigenschaft zum Teil auch Streitgegenstand ist, zum Teil aber auch nur inzident zu prüfen ist. [61]

Fazit

Es zeigt sich, dass Scheinselbständigkeit ein unbedingtes Compliance-Thema ist. Betroffene Unternehmer sollten sich dadurch wappnen, dass Sie entsprechende Strukturen in der Auftragsbearbeitung und standardisierte Verfahrensabläufe schaffen, dies hinreichend dokumentieren und kontinuierlich überwachen. Ein entsprechendes Vorgehen ist aus den vorstehend dargelegten Gründen im Interesse des Unternehmers bzw. jedes Geschäftsführers. Nur so können sie die Gefahr von Strafbarkeit und Existenzvernichtung abwenden, die ein unbedachtes „weiter so“ in einer Vielzahl von Fällen früher oder später mit sich bringen wird.


[1] Art. 1 des G zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung (Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung – Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – vom 23.7.2004, BGBl. I S. 1842)

[2] Bauer/Diller/Lorenzen, NZA 1999 S. 169

[3] Reinecke, NZA 1999 S. 729, 734

[4] Reinecke, NZA 1999 S. 729

[5] So aber § 7 Abs. 4 SGB IV mWv 1. 1. 1999 durch G v. 20. 12. 1999 (BGBl. 2000 I S. 2) bis zur Änd. mWv 1.1.2003 durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Zweites Hartz-Gesetz) vom 23. 12. 2002 (BGBl I S. 4621)

[6] Rolfs, NZA 2003 S. 65

[7] Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit, Anlage 5 zur Bekanntmachung der Sozialversicherungsträger vom 13. 4. 2010 zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen

[8] BGH v. 27. 9. 2011, 1 StR 399/11, NJW 2012 S. 471; Pump, StBp 2006 S. 111; Obenhaus, BB 2012 S. 1130

[9] Reinecke, NZA 1999 S. 729, 737

[10] Bekanntmachung der Sozialversicherungsträger vom 13. 4. 2010 zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen, Ziffer 4.5

[11] BGH v. 15. 10. 1996, VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 = NJW 1997 S. 130

[12] BGH v. 15. 10. 1996, VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 = NJW 1997 S. 130; BGH v. 9. 1. 2001, VI ZR 407/99

[13] Vgl. BGH v. 17. 7. 2009, 5 StR 394/08, NJW 2009 S. 3173

[14] LSG Nordrhein-Westfalen v. 9. 3. 2009, L 16 11 B 4/07 R-ER, DATEV-Dok. 1420629

[15] Pump, StBp 2006 S. 85; Berndt, DB 1998 S. 622, 623 Tz. 8

[16] SG Lüneburg v. 11. 4. 2008, S 13 R 518/07 ER; DATEV-Dok. 1405694

[17] Lübbersmann, PStR 2008 S. 78

[18] BAG v. 17. 3. 2010, 5 AZR 301/09, NJW 2010 S. 2604; v. 21. 9. 2011, 5 AZR 629/10, NZA 2012 S. 145

[19] BT-Dr 15/2948 S. 7, 20; BGH v. 2. 12. 2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 = NJW 2009 S. 528 = HRRS 2009 Nr. 127

[20] stRspr, vgl. BFH v. 13. 9. 2007, VI R 54/03, BFHE 219, 49, unter II 1a bb

[21] Giloy, DStJG 1986, Bd. 6 S. 209, 216

[22] BFH v. 18. 7. 1985, VI R 208/82; Drenseck, DStJG 1986, Bd. 6 S. 377, 400

[23] Gast-de Haan, DStJG 1986, Bd. 6 S. 141, 158

[24] Dazu eingehend: Pump, StBp 2006 S. 80, 110, 159 ; Obenhaus, BB 2012 S. 1130

[25] Abs. 2 neu m. W. v. 1. 8. 2004 durch Art. 2 G v. 23. 7. 2004 (BGBl. I S. 1842)

[26] Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 443

[27] Fischer, StGB, § 266a Rn. 3; Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 443

[28] Köhler, in: Wabnitz/Janowsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl. 2007, Kap. 7 Rn. 223

[29] Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 443

[30] Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 443

[31] Dazu eingehend: Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 447

[32] Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 447

[33] BT-Drs. 15/2573 S. 28; Fischer, StGB,§ 266a Rn. 14 u. 21a; Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 448

[34] Schulz, NJW 2006 S. 183

[35] Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 370 Rdnr. 202

[36] Pump, StBp 2006 S. 84

[37] BGH v. 1. 10. 1991, VI ZR 374/90, NJW 1992 S. 177, 178; Fischer: StGB; § 266a; Rn.23.

[38] BT-Drs. 15/2573 S. 28, Zu Art. 2, Zu Nummer 1

[39] BT-Drs. 15/2573 S. 19, Zu Art. 1, Zu § 1 Abs. 2 Nr. 1

[40] Pump, StBp 2006 S. 84

[41] Fischer, StGB,§ 266a Rn. 23

[42] BGH v. 7. 10. 2009, 1 StR 478/09, NStZ 2010 S. 337; BGH v. 15. 10. 1996, VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 381 = NJW 1997 S. 130; Fischer, StGB,§ 266a Rn. 23; Schulz, NJW 2006 S. 183, 186

[43] BGH v. 9. 1. 2001, VI ZR 407/99, NJW 2001 S. 969

[44] BGH v. 21. 9. 2005, 5 StR 263/05, NStZ 2006 S. 227 = HRRS 2005 Nr. 863

[45] OLG Stuttgart v. 12. 5. 1982, 3 Ss (25) 210/82, NStZ 1982 S. 514

[46] Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 451

[47] Gercke / Leimenstoll, HRRS 2009 S. 450

[48] BFH v. 18. 7. 1985, VI R 208/82; Drenseck, DStJG 1986, Bd. 6 S. 377, 400

[49] Gast-de Haan, DStJG 1986, Bd. 6 S. 141, 158

[50] Gast-de Haan, DStJG 1986, Bd. 6 S. 141, 160

[51] BeitragsverfahrensverordnungBVV – v. 3. 5. 2006 (BGBl. I S. 1138)

[52] Lübbersmann, PStR 2008 S. 78

[53] Vgl. BT-Drs. 10/5058 S. 31; BVerfG v. 30. 9. 2002, 2 BvR 562/02, NJW 2003 S. 961; BGH v. 21. 9. 2005, 5 StR 263/05, NStZ 2006 S. 227 = HRRS 2005 Nr. 863

[54] BGH v. 15. 10. 1996, VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 374 = NJW 1997 S. 130; BAG v. 26. 2. 2003, 5 AZR 690/01, NZA 2004 S. 313

[55] BGH v. 21. 9. 2005, 5 StR 263/05, NStZ 2006 S. 227 = HRRS 2005 Nr. 863; Fischer, StGB, § 266a Rn. 2

[56] BGH v. 9. 1. 2001, VI ZR 119/00, WM 2001 S. 576, 578; v. 6. 4. 2006, IX ZR 240/04, NZS 2007 S. 319 f.

[57] Schleswig-Holsteinisches OLG v. 29. 6.2011, 3 U 89/10, DStR 2011 S. 2161

[58] BT-Drs. 17/5438 S. 2; s. zu den Branchen Briefdienstleister und Spedition, Transport und Logistik: BT-Drs. 17/8444 S. 7

[59] BT-Drs. 17/5438 S. 2; s. zu den Branchen Briefdienstleister und Spedition, Transport und Logistik: BT-Drs. 17/8444 S. 7 f.

[60] Pump, StBp 2006 S. 80

[61] Dazu eingehend: Hohmeister, NZA 1999 S. 1009; Reinecke, Recht der Arbeit – RdA – 2001 S. 357

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