Schwarzarbeit zieht die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und auch von Steuern nach sich

Schwarzarbeit zieht die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und auch von Steuern nach sich

Kurzarbeitergeld

Inhalt

Kurzarbeitergeld hilft, einem Betrieb wertvolle Arbeitskräfte zu erhalten, auch wenn Ihre Beschäftigten vorübergehend zu wenig Arbeit haben. Für die Zeit der Kurzarbeit ersetzt es einen Teil der Kosten des Entgelts für die Beschäftigten. Außerdem werden dem Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge abzüglich der Arbeitslosenversicherung pauschaliert zu 50 oder 100 Prozent erstattet.

Kurzarbeitergeld gemäß §§ 95 ff. SGB III

1.   Grundsätzliches

Bei dem Kurzarbeitergeld (im Folgenden Kug) gemäß §§ 95 ff. SGB III ist zwischen drei verschiedenen Erscheinungsformen zu unterscheiden:

Das konjunkturelle Kug – das Gegenstand der folgenden Ausführungen  sein soll – deckt als eine staatlich finanzierte Entgeltersatzleistung einen Teil des durch die Kurzarbeit entstandenen Lohnausfalls ab und soll in wirtschaftlich schwierigen Zei- ten Arbeitsplätze bei konjunkturell  bedingtem Arbeitsausfall  absichern. Von dem konjunkturellen Kug abzugrenzen ist das sog. Saison-Kug (§ 101  SGB III) und das sog. Transfer-Kug (§ 111  SGB III). Ersteres wird  von der Bundesagentur für Arbeit Betrieben des Baugewerbes gewährt, um sie bei der Überbrückung von Zeiten sai- sonbedingten Arbeitsausfalls  in der Zeit vom 1.12.  bis 31.3.  zu unterstützen. Unter Letzterem versteht man ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das zur Unterstüt- zung von betrieblichen Restrukturierungsprozessen dient, also – im Unterschied zum konjunkturellen  Kug –  nicht den Erhalt von Arbeitsplätzen  bezweckt, sondern die Verbesserung der Vermittlungschancen  von vor der Entlassung  stehenden Arbeit- nehmern.

Durch das Kug sollen in einer wirtschaftlichen Krise für die Arbeitnehmer möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben. Für den Arbeitgeber soll die Möglichkeit  beste- hen, ohne Kündigung seiner eingearbeiteten Arbeitnehmer eine vorübergehende wirtschaftliche Krise zu überstehen.

Das Kug ist eine Sozialleistung, die dem Arbeitnehmer  – ähnlich wie z.B. auch das Arbeitslosengeld  – abgabenfrei gewährt wird. Der wissentlich und willentlich unrechtmässige Bezug von Kurzarbeitergeld stellt einen Betrug in Form des Sozialleistungsmissbrauchs dar.

Hinsichtlich der Steuerbelastung ist allerdings zu beachten, dass der Progressions- vorbehalt greift, der im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs zu Steuernachforderungen des Finanzamtes führen kann.

Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge trifft zwar den Arbeitnehmer keine Ab- gabenlast auf das Kug, wohl aber – wegen der alleinigen Beitragsschuld sogar ver- stärkt – den Arbeitgeber.

2.   Anspruchsvoraussetzungen

Arbeitnehmer haben gemäß § 95 SGB III einen Anspruch auf Kug, wenn:

–   ein  erheblicher  Arbeitsausfall   mit  Entgeltausfall  vorliegt,

–   die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,

–   die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und

–   der Arbeitsausfall  der Agentur  für Arbeit  rechtzeitig angezeigt  worden  ist (Arbeitsausfallanzeige).

Hierzu im Einzelnen:

a.   Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall

Gemäß §§ 95, 96 SGB III setzt die Gewährung von Kug einen erheblichen Arbeits- ausfall mit Entgeltausfall voraus.

Ein Arbeitsausfall ist gemäß § 96 Abs. 1 SGB III erheblich, wenn  dieser auf wirt- schaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren  Ereignis beruht (aa.), dieser vorübergehend (bb.) und nicht vermeidbar ist (cc.) und im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitneh- mer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Brutto- entgelts betroffen ist (dd.).

Dazu im Einzelnen:

aa. Wirtschaftliche  Gründe oder unabwendbares Ereignis

Als wirtschaftliche Gründe für einen Arbeitsausfall im Sinne des § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB III sind solche Gründe einzuordnen, die allgemeinen betriebsüber- greifenden Wirtschaftsprozessen zugrunde liegen (verminderter Auftragseingang in- folge Rezession, sinkende Absatzmöglichkeiten, Rohstoffmangel). Diese Vorausset- zungen wurden  in der wirtschaftlich schwierigen  Situation  in den Jahren 2009 – 2011 von den Arbeitsagenturen ohne tiefergehende Prüfung bei Arbeitsausfall we-

gen Auftragsmangel anerkannt. Außerhalb einer verbreiteten  wirtschaftlichen Not- situation erwarten die Arbeitsagenturen dagegen konkretere Angaben des einzelnen Arbeitgebers zum Hintergrund des Arbeitsausfalls. Nach § 96 Abs. 2 SGB III beruht ein Arbeitsausfall auch auf wirtschaftlichen Gründen, wenn er durch eine Verände- rung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, die durch die allgemeine wirt- schaftliche Entwicklung bedingt ist. Die betriebliche Strukturveränderung muss also auf einer allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung beruhen, die von außen auf den Betrieb einwirkt, auf deren Eintritt der Betrieb mithin keinen Einfluss hat. Es handelt sich insoweit  um Wirtschaftsabläufe,  die nicht mit betriebsspezifischen,  vom ein- zelnen Unternehmen  zu verantwortenden  „Verläufen“  im Zusammenhang stehen, sondern um allgemeine wirtschaftliche Veränderungen, insbesondere um konjunk- turelle und strukturelle Störungen der Gesamtwirtschaftslage (BSG vom 29.4.1998

– B 7 AL 102/97 – R, NZS 1999, 94 – 98; GA Kug, § 96 Nr. 2.2).  Nicht jedoch als wirtschaftliche Gründe i.S.d.  §  96  Abs.  2  SGB III gelten  beispielsweise  Absatz- schwierigkeiten bei einem Produkt aufgrund einer geänderten Marktnachfrage.

Ein unabwendbares  Ereignis i.S.d. § 96 Abs. 3 SGB III liegt vor, wenn der Arbeits- ausfall auf ein Ereignis zurückzuführen ist, das auch bei Anwendung äußerster Sorg- falt nicht hätte verhindert werden können. Um ein solches Ereignis handelt es sich beispielsweise bei außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen wie Hochwasser so- wie  bei Epidemien, Explosionen etc., aber auch bei behördlich angeordneten oder anerkannten Maßnahmen, die zu einem Arbeitsausfall führen. Bei Arbeitsausfall we- gen Unglücksfällen kommt die Gewährung von Kug grundsätzlich nur in Betracht, wenn diese vom Arbeitgeber nicht zu verantworten sind, z.B. Fabrikbrand nach Blitzeinschlag. Nicht dagegen ausreichend sind Ursachen, die in einem üblichen Wetterverlauf wurzeln, z.B. Arbeitsausfälle,  die in den Wintermonaten eintreten und durch normale Witterungsverhältnisse der Jahreszeit bedingt sind.

Andere Gründe für einen Kug-berechtigenden Arbeitsausfall außer wirtschaftlichen Gründen und einem unabwendbaren Ereignis sind im Gesetz nicht vorgesehen. Das gilt nicht nur für betrieblich  angeordnete Arbeitsunterbrechungen (z.B. infolge Re- paratur- oder Umbauarbeiten,  mit  denen der Arbeitgeber  rechnen muss), sondern auch dann, wenn der Arbeitsausfall der Einflusssphäre des Arbeitnehmers zuzurech- nen ist, z.B. Fehltage (GA Kug, § 96 Nr. 2.4).

bb. Vorübergehender Arbeitsausfall

Vorübergehend i.S.d.  § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ist der Arbeitsausfall, wenn mit  einer gewissen  Wahrscheinlichkeit  in absehbarer Zeit für den Großteil  der Ar- beitnehmer wieder mit dem Übergang zur Vollzeitarbeit  zu rechnen ist. Dabei erfüllt ein vorübergehender Arbeitsausfall  für die Dauer von voraussichtlich  12 Monaten (entspricht der aktuell geltenden maximalen Bezugsdauer des Kug) die Vorausset- zung eines vorübergehenden Arbeitsausfalls. Der Charakter eines lediglich vorüber- gehenden Arbeitsausfalls  muss für die gesamte  Zeit der Gewährung  von Kug als ständige Voraussetzung vorhanden sein. Sofern dies nicht mehr der Fall ist, ist die Entscheidung über die Gewährung von Kug (§ 99 Abs. 3 SGB III) von diesem Zeit- punkt an aufzuheben (§ 48 SGB X).

cc. Nichtvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls

§ 96 Abs. 4 SGB III enthält eine Reihe ganz unterschiedlicher Tatbestände,  die bei der Beurteilung einer für die Kug-Gewährung notwendigen Nichtvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls  eine Rolle spielen. Hierzu im Einzelnen:

(1)  Vorkehrungen im Betrieb

Gemäß § 96 Abs. 4 S. 1 SGB III wird eine Nichtvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls angenommen, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wur- den, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Der Arbeitgeber ist demnach gehalten, seinen Betrieb möglichst so umzustrukturieren, dass der Arbeitsausfall reduziert wird.  Diese Bemühungen hat der Arbeitgeber über den gesamten Zeitraum der Gewährung  von Kug vorzunehmen.  Zur Vermeidung des Arbeitsausfalls  kom- men insbesondere folgende betriebliche Maßnahmen nach der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit in Betracht:

–   Arbeit auf Lager, soweit  dies räumlich und wirtschaftlich vertretbar ist;

–   rechtzeitige und ausreichende Beschaffung von Rohstoffen oder von Heiz- oder Betriebsstoffen;

–   wirtschaftliche zumutbare Umstellung auf andere Energiequellen oder Transport- wege (z.B. Schiene statt Straße) bei Heiz- oder Betriebsstoffmangel; Umsetzung der Kurzarbeiter in andere – voll arbeitende Betriebsabteilungen, soweit dies ar- beitsrechtlich zulässig und betriebstechnisch möglich ist;

–   ggf. sogar Einsatz  der Arbeitnehmer  für Aufräumungs-,  Instandsetzungs-  oder Füllarbeiten.

Nicht einzufordern sind dagegen

–   die Freistellung von Zeitarbeitnehmern,  die im kurzarbeitenden Betrieb beschäftigt werden (vgl. auch Punkt A.I.2.);

–   das Auslaufenlassen von befristeten Beschäftigungsverhältnissen (GA Kug, § 96 Nr. 2.6).

(2)  Mehrarbeit

Zum Thema Mehrarbeit während  der Kurzarbeit  ist  Folgendes zu beachten:  Hier können sich Fragen von der zuständigen Agentur für Arbeit bei der Abrechnung der Kurzarbeit ergeben, wie sich Mehrarbeit mit der vom Gesetz geforderten vorrangi- gen Vermeidung des Arbeitsausfalls vereinbaren lässt. Es ist jedoch z.B. bei Kurz- arbeit im Wechsel von Wochen mit und ohne Arbeitsleistung denkbar, dass in der Woche mit planmäßiger Arbeitsleistung ein kurzfristiger unvorhersehbarer Arbeits- auftrag  schnelle Arbeitserledigung  und damit  Mehrarbeit  erforderlich  macht. Dies kann erläuterungsbedürftig sein, darf aber der gebotenen Unvermeidbarkeit  des Ar- beitsausfalls nicht entgegenstehen. Die Geschäftsanweisung der BA schweigt sich insoweit aus; unter Punkt 2.8(2)  ist lediglich dargestellt, dass es ein Anzeichen für die Vermeidbarkeit  des Arbeitsausfalls sein kann, wenn unmittelbar vor Einführung der Kurzarbeit  in nennenswertem  Umfang Mehrarbeit  geleistet  wurde.  Die Vergü- tung für die Mehrarbeit ist natürlich bei Berechnung des Kug beim Ist-Entgelt mit zu berücksichtigen (vgl. dazu im Einzelnen im Folgenden Punkt 3.).

(3)  Betriebsüblicher Arbeitsausfall

Weiterhin  sind in § 96  Abs.  4 S. 2 SGB III mehrere Tatbestände  aufgeführt, bei denen ein Arbeitsausfall als vermeidbar gilt. Es gilt als als vermeidbarer Arbeitsaus- fall gemäß § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 SGB III der branchenübliche, betriebsübliche oder saisonbedingte  Ausfall (z.B.  Weihnachtsartikelindustrie).  Ein betriebsüblicher  Ar- beitsausfall ist im Allgemeinen als regelmäßig wiederkehrend anzusehen, wenn

–  in den letzten drei aufeinanderfolgenden Jahren

–  annähernd zur gleichen Zeit  und aus den gleichen Gründen verkürzt  gearbeitet wurde oder Entlassungen vorgenommen wurden und

–  erneut Arbeitsausfall  angezeigt wird.

(4)  Vorrangige Nutzung von Urlaub

Daneben wird auch von einer Vermeidbarkeit  des Arbeitsausfalls ausgegangen, so- weit  vorrangig bezahlter Urlaub zu gewähren ist (§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III).

Grenzen diesbezüglich bestehen jedoch, sofern zwischen Arbeitgeber und Betriebs- rat bereits eine Urlaubsregelung vereinbart worden ist. Eine kurzfristige Anordnung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich aufgrund des Erholungszwecks des Urlaubs nicht zulässig. Nur im Fall von Resturlaub, der nach § 7 Abs. 3 S. 2

BUrlG oder nach Vorschriften  aus dem Tarifvertrag  vor einem Verfall  steht, kann der betreffende Arbeitnehmer verpflichtet werden, diesen zu nehmen. Den Urlaubs- wünschen  der Arbeitnehmer  ist jedoch im Ergebnis der Vorrang vor einer Vermei- dung des Arbeitsausfalls  einzuräumen.

(5)  Vorrangige Nutzung von Zeitkonten

Ein besonderes praxisrelevantes Problem stellt immer wieder die Frage dar, wie sich Regelungen zur Gleitzeit, zu flexibler Arbeitszeit oder sogar zur Einrichtung von Ar- beitszeitkonten auf die Gewährung von Kug auswirken.

Zu Gleitzeitregelungen sieht die GA Kug zu § 96 SGB III, 2.9.6  wörtlich Folgendes vor:

Auch bei einer bestehenden Gleitzeitregelung kann nicht verlangt werden, dass vor der Kurz- arbeit angesammelte Zeitguthaben von den Arbeitnehmern zur Vermeidung/Verringerung des Arbeitsausfalls abgebaut werden, wenn sie der zeitlichen Größe des vereinbarten Gleitzeitrah- mens entsprechen (z.B. Zeitguthaben kann bis zu 10 Stunden monatlich übernommen werden) und die Regelung eine entgeltliche Abgeltung nicht zulässt.

Bei der Frage nach vorrangiger Nutzung flexibler Zeitgestaltungen vor der Anerken- nung von Kurzarbeit sind allein solche Regelungen zur Arbeitszeit maßgebend, von denen im Betrieb durch Vereinbarungen auf betrieblicher bzw. einzelvertraglicher Ebene auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird.  Es wird  von den Betriebsparteien nicht verlangt,  bestehende  und arbeitsrechtliche  zulässige Arbeitszeitvereinbarun- gen zu ändern. Es ist daher auch nicht zu fordern, dass der Betrieb zur Vermeidung des Arbeitsausfalls  eine aufgrund  einer Öffnungsklausel eines einschlägigen Tarif- vertrages zulässige Arbeitszeitregelung  vereinbart (GA Kug zu § 96 SGB III, 2.7.3 (2)).

Ein besonderes Problem kann sich von jeher in den Fällen einstellen,  in denen im Betrieb flexible Arbeitszeitkonten auch ins Minus eingestellt werden können, Arbeit- nehmer also Vorarbeit leisten. Dies könnte dazu führen, dass Arbeitnehmer vor der Gewährung von Kug nicht nur Zeitguthaben zunächst auf Null bringen müssten, sondern womöglich  sogar erst ein durch Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag mögliches Minuskonto aufzubauen hätten.

Eine frühere Regelung hatte – insbesondere auch auf Drängen von unternehmer nrw gegenüber der seinerzeitigen Bundesregierung – für die Zeit der vergangenen Wirtschaftskrise den notwendigen Aufbau von „Minuskonten“ vor der Gewährung von Kug ausdrücklich  ausgeschlossen. § 421t Abs.  2 Nr. 2 SGB III hatte  folgenden Wortlaut:

„Kurzarbeitergeld nach § 169  und Saison-Kurzarbeitergeld nach § 175  werden  bis zum 31. März 2012  mit folgenden Maßgaben geleistet: (…) 2. § 170  Abs. 4 S. 2 Nr. 3 gilt nicht für den Fall negativer Arbeitszeitsalden.“

Der frühere § 170  Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III entsprach dabei wörtlich der heutigen Regelung in § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III, wonach ein Arbeitsausfall  insbesondere dann als vermeidbar gilt, wenn er durch Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen  ganz oder teilweise vermieden werden kann.

Leider ist diese für die betroffenen Unternehmen sehr wesentliche Regelung seinerzeit nicht über den 31.  März 2012  hinaus verlängert worden.  Daher besteht  nun wieder das Risiko, dass vor der Gewährung von Kurzarbeit Arbeitszeitkonten zunächst ins Minus gefahren werden müssen.

Die aktuelle Geschäftsanweisung  der Bundesagentur  für Arbeit  sieht  hierzu unter Punkt 2.7.3  zu § 96 SGB III Folgendes vor:

Bei einer flexiblen Arbeitszeit im Betrieb ist im Rahmen der Unvermeidbarkeit zu prüfen,  ob der Arbeitsausfall  durch  im  Betrieb  zulässige  Arbeitszeitschwankungen  vermieden  werden kann (§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3. SGB III). Handelt es sich um eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, die nach der tariflichen oder betrieblichen Regelung vom Arbeitgeber angeordnet werden kann, um die Arbeitszeit einer veränderten Produktion anzupassen, sind zuerst die Voraussetzungen nach § 96 Abs. 4 S. 4 SGB III zu prüfen.  Sind diese erfüllt, sind darüber hinausgehende Ar- beitsausfälle unvermeidbar.

Der Betrieb hat glaubhaft zu machen und darzulegen, dass alle Möglichkeiten der Flexibilisierung vor der Einführung der Kurzarbeit tatsächlich ausgeschöpft wurden.  Da das Gesetz von Arbeitszeitschwankungen spricht, gilt dies grundsätzlich auch, wenn die Betriebsparteien eine Regelung vereinbart haben, die den Aufbau von Minusstunden  im Rahmen eines Arbeitszeit- kontos  zulässt. Auch in diesen Fällen ist der Grundsatz der wirtschaftlichen Zumutbarkeit zu beachten. Eine solche Unzumutbarkeit  kann z.B. auch bereits  dann gegeben sein, wenn  die kurzfristige Liquidität des Arbeitgebers infolge einer Versagung des Kug beeinträchtigt wäre. Nur in begründeten Ausnahmefällen hätte der Arbeitgeber die wirtschaftliche Unzumutbarkeit darzulegen und nachzuweisen.“  (GA Kug, § 96 2.7.3).“

Bezüglich Arbeitszeitguthaben enthält § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III einige gesetzliche Vorgaben. Zwar kann danach ein Kug-relevanter Arbeitsausfall grundsätzlich ver- mieden werden,  solange ein Arbeitnehmer  ein bei ihm bestehendes Arbeitszeitgut- haben „abfeiern“ kann. Hiervon gibt es allerdings ausdrücklich gesetzlich geregelte Ausnahmen. Eine Auflösung folgender Arbeitszeitguthaben ist nach § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 – 5 SGB III nicht vorgesehen:

–        Arbeitszeitguthaben, die vertraglich ausschließlich  zur Überbrückung  von Ar- beitsausfällen  außerhalb der Schlechtwetterzeit  (§  101  Abs.  1  SGB III) be- stimmt sind und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigen, § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 SGB III;

–        Arbeitszeitguthaben, die ausschließlich für die in § 7 c Abs. 1 SGB IV genann- ten Zwecke bestimmt sind, also aufgebaute Langzeitkonten z.B. für eine vor- zeitige Freistellung  des Arbeitnehmers  vor einer altersbedingten  Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Beispiel: Altersteilzeit)  oder Zeitguthaben, die ein Be- schäftigter für die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häus- licher Umgebung aufbaut, § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB III;

–       Zeitguthaben, die zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kug angespart worden sind und den Umfang von 150  Stunden nicht übersteigen (relevant   also   vor   allem   bei   Unternehmen   der   erweiterten   Bauindustrie), § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 3 SGB III;

–       Zeitguthaben,  die den Umfang  von 10  % der ohne Mehrarbeit  geschuldeten Jahresarbeitszeit eines Arbeitnehmers übersteigen.

–       Zeitguthaben, die länger als ein Jahr unverändert bestanden haben (§ 96 Abs.

4  S. 3  Nr. 5  SGB III). Soweit ein Arbeitnehmer  in den zurückliegenden  12 Monaten über ein Zeitguthaben in unterschiedlicher Höhe verfügte, ist ein Zeit- guthaben in dem Volumen geschützt, das dem niedrigsten Wert in diesem Zeit- raum entspricht. Wenn z. B. das Arbeitszeitguthaben  zwischen  50  und 100 Stunden im Jahreszeitraum schwankte, bestand es unverändert zumindest mit 50 Stunden und der Folge, dass diese Guthabenstunden zur Vermeidung der Kurzarbeit nicht eingebracht werden müssen (§ 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 5 SGB III).

dd. Mindestmaß des Arbeitsausfalls

Neben der Unvermeidbarkeit  des Arbeitsausfalls  ist außerdem für die Gewährung von Kug ein Mindestmaß an Arbeitsausfall erforderlich. Dieses Mindestmaß  an Ar- beitsausfall ist nach der Regelung in § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III erfüllt, wenn für mindestens ein Drittel der in dem Betrieb oder der Betriebsabteilung tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer jeweils mehr als 10%  des monatlichen Bruttoentgelts ausfällt.

Zum Entgeltausfall: Nach der GA Kug, § 96 2.11(10) gilt als beitragspflichtige Ein- nahme das gesamte Arbeitsentgelt. Insoweit ist es – im Unterschied zur Berechnung des Kug, vgl. im Folgenden Punkt 3. – nicht auf die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung zu begrenzen. Bewertungszeitraum ist dabei der je- weilige Kalendermonat (Anspruchszeitraum). Soweit  nach dieser Vorgabe die Min- destvoraussetzungen für die Kug-Gewährung im Betrieb/Betriebsteil erfüllt sind, können sogar zusätzlich auch solche Arbeitnehmer Kug beziehen, deren Entgeltaus- fall unter 10 % liegt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Gesetz nicht mehr – wie nach dem früheren Arbeitsförderungsgesetz – auf die Anzahl der ange- fallenen Arbeitsstunden  abstellt, sondern nur auf den individuellen Entgeltausfall wegen Arbeitsausfalls.

Zur Berechnung der Arbeitnehmerzahl: Zu der Gesamtzahl der Arbeitnehmer werden auch arbeitslosenversicherungsfreie (z.B. nach § 8 Abs. 1 SGB IV geringfügig Be- schäftigte), erkrankte oder beurlaubte Arbeitnehmer  gezählt. Zu den Beschäftigten im Sinne des § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III gehören auch Arbeitnehmerinnen,  deren Arbeitsverhältnis wegen eines Beschäftigungsverbotes im Rahmen des Mutter- schutzes nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG ruht, sowie Leiharbeitnehmer/innen,  auch wenn  diesen kein Kug-Anspruch  erwächst,  da sie nicht Arbeitnehmer  des kurzar- beitenden Betriebes sind, weil Arbeitgeberidentität zwischen Entleiher und Verleiher fehlt (GA Kug, § 96 SGB III 2.10  (3)). Dagegen wird  durch § 96 Abs. 1 S. 2 SGB III ausdrücklich klargestellt, dass bei der Ermittlung des Mindestarbeitsausfalls nach § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III Auszubildende nicht mitzuzählen sind.

ee. Darlegungsumfang für den Arbeitgeber

Zur Darlegung der nach § 96 SGB III relevanten Kug-Kriterien: Der Arbeitgeber hat nach § 99 Abs. 1 S. 4 SGB III mit der Anzeige über Arbeitsausfall u.a. das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls glaubhaft zu machen. Das schließt jedoch – auch im Hinblick auf die Vorschrift in § 320 Abs. 1 SGB III – ein, dass sich die Darlegung nicht nur auf den Umfang des Auftrags-(Beschäftigungs-)Rückgangs aus wirtschaft- lichen Gründen i.S.d. § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III erstrecken muss, sondern auch auf das Gewicht des Rückgangs in der Beschäftigungs- und Auftragslage aus bran- chenüblichen,  betriebsüblichen  oder saisonbedingten  Gründen. Hat der Betrieb in der Vergangenheit bei Arbeitsausfällen zu annähernd vergleichbaren Zeiten jeweils die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer  entlassen, ist von der –  widerlegbaren  – Vermutung auszugehen, dass der angezeigte Arbeitsausfall überwiegend aus bran- chenüblichen, betriebsüblichen oder saisonbedingten Gründen eingetreten ist (GA Kug, § 96 Nr. 2.8.(15)).

b.   Betriebliche Voraussetzungen

Nach § 97 SGB III reicht es – unabhängig von der betriebswirtschaftlichen Ausrich- tung des Betriebs – aus, wenn in dem Betrieb regelmäßig ein Arbeitnehmer beschäf- tigt ist. Als  Betrieb ist  dabei auch ein Betriebsteil  zu sehen, § 97  S. 2 SGB III. Kriterien für einen eigenständigen Betriebsteil sind, dass der Betriebsteil mit eigenen technischen Mitteln ausgestattet ist, eine geschlossene Arbeitsgruppe von Arbeit- nehmern umfasst, aus sachlichen Gründen vom übrigen Betrieb organisatorisch  – insbesondere durch eigene technische Leitung – getrennt ist und einen eigenen Be- triebszweck – auch Hilfszweck  – verfolgt (z.B.: Lager; Hausdruckerei; Werbe-/ Mar- ketingabteilung;  Konstruktionsbüro).  Es besteht  also ein weiter  Gestaltungsspiel- raum für ein Unternehmen,  eigenständige Betriebsteile zu definieren,  in denen ein Arbeitsausfall  mit den gesetzlich definierten Mindestbedingungen  anfällt.

c.  Persönliche Voraussetzungen

Als Weiteres ist für die Gewährung von Kug die Erfüllung persönlicher Vorausset- zungen gemäß § 98 SGB III erforderlich. Demnach muss der betreffende Arbeitneh- mer einer versicherungspflichtigen – also nicht geringfügigen – Beschäftigung nachgehen (§ 98 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn  der Arbeitnehmer  nach Beginn des Arbeitsausfalls  eine versicherungspflichtige Beschäftigung

–   fortsetzt,

–   aus zwingenden Gründen aufnimmt oder

–   im  Anschluss  an  die  Beendigung  seines  Berufsausbildungsverhältnisses  auf- nimmt.

Außerdem darf das Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer  ge- kündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst werden. Sobald eine solche Maß- nahme getroffen wird,  könnte für die Folgezeit Kug nicht mehr von der Agentur für Arbeit geleistet werden. Für die Vergangenheit bis zum Kündigungsausspruch kann dagegen die Kug-Gewährung aufrechterhalten bleiben.

Dies ist in der Weisungslage der BA (GA zu § 98 SGB III, 4.2.(3.)) wie folgt konkre- tisiert:

Da eine Kündigung nur wirksam  ist, wenn sie schriftlich erfolgt (§ 623  BGB) und der Person zugegangen ist (§ 130  Abs. 1 BGB), entfällt der Anspruch  bei

–       Übergabe des Kündigungsschreibens: mit dem darauffolgenden Tag

–       Zusendung des Kündigungsschreibens durch Brief: 3 Tage nach Absendung  des Kündi- gungsschreibens (Tag der Absendung wird nicht mitgerechnet)

–       Abschluss des Aufhebungsvertrages  mit dem Tag nach Abschluss des Aufhebungsvertrages.“

Arbeitnehmer,  die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen, können grundsätz- lich Kug beziehen. Dagegen sind bezüglich folgender Personengruppen die persön- lichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug insbesondere nicht erfüllt:

–   Alle Arbeitnehmer ab dem Alter des möglichen Regelaltersrentenbezugs nach § 35 SGB VI, weil ab diesem Zeitpunkt die Versicherungspflicht zur Arbeitslosen- versicherung nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III endet;

–   Arbeitnehmer während des Krankengeldbezugs, § 98 Abs. 3 Nr. 2 SGB III;

–   Arbeitnehmer  während  der Teilnahme an einer beruflichen  Weiterbildungsmaß- nahme mit Bezug von Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld, wenn diese Leistung nicht für eine neben der Beschäftigung durchgeführte Teilzeitmaßnahme gezahlt wird,  § 98 Abs. 3 Nr. 1 SGB III;

–   Personen ohne regelmäßige Arbeitszeit;

–   Arbeitnehmer  während der Zeit, für die ihnen eine Rente wegen voller Erwerbs- minderung oder eine vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers zuerkannt ist.

Eine Sonderrolle nehmen hier Auszubildende ein, die –  wie  oben unter  Punkt  dd. dargestellt – nach § 96 Abs. 1 S. 2 SGB III bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl in dem von der Kurzarbeit betroffenen Betrieb oder Betriebsteil nicht einzubeziehen sind: Sie gelten jedoch als versicherungspflichtige Arbeitnehmer im Sinne des § 98 SGB III. Regelmäßig wird  bei den Auszubildenden jedoch eine Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls vermutet; bezüglich der Auszubildenden hat der Arbeitgeber nämlich besondere Maßnahmen zu ergreifen, um Kurzarbeit im Verlauf  der Ausbildung  zu verhindern.  Gesetzlich ausgeschlossen ist für diese Personen die Einbeziehung in die Kurzarbeit jedoch nicht.

Auch Altersteilzeitarbeitnehmer können grundsätzlich in die Kurzarbeit mit einbezo- gen werden, auch wenn es sich um verblockte Altersteilzeit handelt, dann natürlich nur in der grds. mit Arbeitsleistung verbundenen Arbeitsphase, nicht dagegen in der ohnehin nicht mehr mit Arbeitsleistung belegten Freistellungsphase. Für diese Per- sonengruppe gibt es sogar eine Sonderregelung in § 10 Abs. 4 ATG. Bezieht danach ein Altersteilzeitarbeitnehmer Kurzarbeitergeld, gilt für die Berechnung der vom Ar- beitgeber zu leistenden Aufstockungsbeträge sowie Höherversicherungsbeiträge zur Rentenversicherung das Entgelt für die vereinbarte Arbeitszeit als Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit. Diese Leistungen werden also gegenüber der vertraglich ver- einbarten Arbeitszeit bei Kurzarbeit nicht gekürzt.

d.   Arbeitsausfallanzeige

Die Anzeige über den Arbeitsausfall muss bei der zuständigen Agentur für Arbeit (in deren Bezirk der Betrieb liegt) schriftlich eingehen. Dies kann sowohl durch den Arbeitgeber  als auch durch den Betriebsrat geschehen. Sofern der Arbeitgeber die Anzeige bei der Agentur für Arbeit vornimmt, ist eine Stellungnahme des Betriebs- rats beizufügen (§ 99 Abs. 1 S. 3 SGB III).

Die Anzeige muss inhaltlich die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für die Ge- währung von Kug enthalten (§ 99 Abs. 1 S. 4 SGB III, § 294 ZPO). Zur Glaubhaft- machung verwendet werden können Betriebsvereinbarungen über Kurzarbeit, Lohn- abrechnungslisten aufgeschlüsselt nach den betroffenen Beteiligungen oder genau- ere Angaben über die Lagerhaltung, Auftragslage, Urlaubsgewährung  etc.

Kug wird  erst  ab dem Monat  geleistet,  in dem die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist (§ 99 Abs. 2 S. 1 SGB III). Das schließt die Kug- Gewährung für Arbeitsausfälle  mit Entgeltausfällen ein, die bis zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung im Kalendermonat im Betrieb bereits eingetreten sind.

Wichtig: Eine verspätete (also nach dem Kalendermonat des Beginns des Arbeitsausfalls) erstattete Anzeige kann auch bei Vorliegen eines entschuldbaren Grundes nicht als rechtzeitig eingegangen angesehen werden. Dem Mangel der nicht rechts- zeitigen Erstattung der Anzeige kann weder durch Wiedereinführung in den vorigen Stand noch über den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch  geholfen werden (BSG vom 14.2.1989 – 7 RAr 18/87).

Ein Vordruck  für die Anzeige des Arbeitsausfalls  ist bei den Agenturen  für Arbeit erhältlich oder auch im Internet unter www.arbeitsagentur.de abrufbar (siehe auch Punkt D. Anlagen).

Die Agentur für Arbeit hat ihrerseits dann die Pflicht, unverzüglich über das Vorlie- gen des glaubhaft gemachten erheblichen Arbeitsausfalls  und die betrieblichen Voraussetzungen einen Bescheid zu erteilen.

Weiter  ist darauf  zu achten,  dass der Beginn der Kurzarbeit in zeitlichem  Zusam- menhang mit der Anzeige des Arbeitsausfalls stehen muss. Arbeitsagenturen vertreten dazu die Auffassung, dass der Beginn der Kurzarbeit innerhalb einer Drei- Monats-Frist  analog § 104  Abs. 3 SGB III nach Anzeige des Arbeitsausfalls  liegen muss; bei späterem Beginn der Kurzarbeit seien die Voraussetzungen für eine Kug- Gewährung einschließlich der formalen Bedingungen (Anzeige des Arbeitsausfalls gemäß § 99 SGB III) neu zu belegen.

3.   Höhe des Kurzarbeitergeldes

Die Höhe des Kug richtet sich nach dem pauschalierten Nettoentgeltausfall des ein- zelnen Arbeitnehmers im Anspruchszeitraum (Kalendermonat) und einem bestimm- ten Leistungssatz.

Bemessungsgrundlage ist zunächst der Unterschiedsbetrag zwischen dem pauscha- lierten Nettoentgelt des ohne den Arbeitsausfall erzielbaren Entgelts des Arbeitnehmers („Soll-Entgelt“) und dem noch erzielten pauschalierten Netto-Entgelt innerhalb des Kug-Anspruchszeitraums („Ist-Entgelt“), vgl. § 106 SGB III.

Das pauschalierte Nettoentgelt aus Soll- und Ist-Entgelt wird durch eine für ein Kalenderjahr geltende Verordnung festgelegt. Bei dieser Verordnung werden auch ein- zelne Leistungssätze  und Lohnsteuerklassen  berücksichtigt.  Die Verordnung  kann auf der Internetseite der Agentur für Arbeit eingesehen werden.

Zu dem Soll-Entgelt gehören alle Lohnbestandteile, die beitragspflichtige Einnahmen im Sinne des SGB III darstellen (§ 342 ff. SGB III). Der Verweis auf „beitragspflichtige Einnahmen“ stellt  klar, dass insoweit nur die Bezüge eines Arbeitnehmers  bis zur jeweils maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze zur Arbeitslosenversicherung relevant sind (2019: monatlich  6.700,00 € in den alten, 6.150,00 € in den neuen Bundesländern). Sachbezüge sind mit  dem Wert  zu berücksichtigen,  der sich aus der SV-Entgeltverordnung ergibt. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und Entgelt für Mehrarbeit sind nach § 106  Abs. 1 S. 4 SGB III nicht zu berücksichtigen. Bei variablen Entgeltanteilen, deren Höhe nicht für den Anspruchszeitraum  ermittelt werden kann, darf nach der Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit auf die Werte des letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraums zurückgegriffen werden; dieser Wert soll dann für die gesamte Dauer des Kug-Bezugs zu berücksichtigen sein. Wichtig: Soweit für den Betrieb oder Betriebsteil  eine vorübergehende Beschäfti- gungssicherungsvereinbarung getroffen wurde,  ist das Soll-Entgelt nach dem Ent- gelt zu bestimmen, das ohne diese Vereinbarung geschuldet wäre, § 108 Abs. 2 S. 3 SGB III.

Wie bei dem Arbeitslosengeld gibt es beim Kug zwei verschiedene Leistungssätze. Für Arbeitnehmer mit mindestens einem unterhaltsberechtigten Kind gilt der erhöhte Leistungssatz von 67  %.  Für alle übrigen Arbeitnehmer  wird  der allgemeine Leis- tungssatz von 60 % angesetzt, § 105  SGB III. Außerdem ist auch hier die Steuer- klasse des Arbeitnehmers zu beachten.

Bei Besserverdienenden stellt sich die Frage nach der Berechnung des Ausfalllohns für die durch die Kurzarbeit ausgefallene Arbeitszeit.  Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass das Soll- und Ist-Entgelt nach § 106  SGB III durch die Bei- tragsmessungsgrenze  zur Arbeitslosenversicherung  begrenzt sind. Dies führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass z.B. ein leitender Angestellter, der ein monat- liches Soll-Entgelt von 10.000,00 € erzielt und der im Abrechnungsmonat  wegen Kurzarbeit  nur noch ein Ist-Entgelt  von 6.700,00 €  erhält,  im Jahr 2019  also in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in den alten Bundesländern, kein von der Bun- desagentur refinanzierbares Kug erhalten würde.  Anders sähe es dagegen für den Fall aus, dass das verbleibende „Rest-Entgelt“ unterhalb der einschlägigen Beitrags- bemessungsgrenze liegt. Dazu folgendes Beispiel:

Beispiel:

Der leitende Angestellte, Steuerklasse III erfährt durch Kurzarbeit eine Reduzierung seines Bruttoentgelts von 10.000,00 € auf 4.000,00 €. Der Leistungssatz liegt bei 67 %.

Berechnung des Kug (Grundlage Kug-Leistungstabelle der BA von 2019); wegen der

„Deckelung“ des Soll-Entgelts wird statt des tatsächlichen monatlichen Entgelts von

10.000,00 € der Höchstsatz von 6.700,00 € zugrunde gelegt:

Soll-Entgelt                                                             6.700,00 €

= rechnerischer Leistungssatz                                                              2.805,42 €

Ist-Entgelt                                                               4.000,00 €

= rechnerischer Leistungssatz                                                              1.871,16 €

Kug                                                                                                                  934,26

Ergebnis:

Der Arbeitnehmer  erhält  neben dem  steuer-  und  beitragspflichtigen  Entgelt  von

4.000,00 € für die verbliebene Arbeitsleistung ein für ihn abgabefreies und refinan- zierbares Kug in Höhe von 934,26 €. Selbstverständlich  ist auch hier der Progressi- onsvorbehalt zu beachten.

Bei dieser Auslegung  der Bundesagentur  für Arbeit stellt sich dann die weiterge- hende Frage, welche Leistungen die Besserverdienenden bei Kurzarbeit vom Arbeit- geber beanspruchen können.  Mit  guten  Gründen ist die Auffassung  zu vertreten, dass die Arbeitnehmer  ohne „Deckelung“  durch die Beitragsbemessungsgrenze für die gesamten Ausfallstunden einen Anspruch  auf Kug (60 % bzw.  67 % des pau- schalierten ausgefallenen Nettoentgelts, §§ 105, 106  SGB III) haben; die Beitrags- bemessungsgrenze ist nur bei der Frage der Refinanzierung des Kug durch die Ar- beitsagentur zu berücksichtigen.

Für diese Auffassung spricht auch die Entscheidung des BAG vom 11.7.1990, wonach ein Arbeitgeber durch die Einführung von Kurzarbeit die Vergütungsansprüche eines Arbeitnehmers  auf die Leistungshöhe des Kug beschränken kann, und zwar unabhängig davon, ob eine Refinanzierung durch die Arbeitsagenturen erfolgt (BAG vom 11.7.1990 –  5 AZR 557/89, NZA 1991, 67).  Die Vergütung für die Ausfallstunden stellt eine Lohnersatzleistung dar, und zwar unabhängig von der Refinanzierung und der Beitragsbemessungsgrenze.  Dies führt zu dem Ergebnis, dass in dem o.a. Beispielsfall, in dem ein leitender Angestellter mit einem monatlichen Soll- Entgelt von 10.000,00 € durch Kurzarbeit nur noch ein Ist-Entgelt von 6.700,00 € erhält,  für die Ausfallzeit  ein vom  Arbeitgeber  nicht refinanzierbares  Kug auf  der Basis von 3.300,00 € erhält. Diese Leistung muss auch komplett abrechnungstech- nisch als Kug behandelt werden.

4.   Bezugsdauer

Die maximale Bezugsdauer von Kug beträgt nach § 104 Abs. 1 SGB III 12 Monate. Im Unterschied  z. B. zur Leistungsdauer beim Arbeitslosengeld  wird  das Kug tat-

sächlich nach Kalendermonaten und nicht etwa nach Leistungstagen bestimmt.

Im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und weiterer Vorschriften ist diese Leistungsdauer von 12 Monaten dauerhaft seit dem 1.1.2016 in § 104  Abs. 1 S. 1 SGB III festgeschrieben  worden.  Damit wurde  die vorangegangene Geset- zeslage abgelöst, wonach die Leistungsdauer beim Kug für bestimmte Fristen durch Rechtsverordnung festgelegt wird.

Die Bezugsfrist  von Kug beginnt  mit  dem ersten Kalendermonat,  in dem Kug gewährt wird.  Sie bezieht sich auf die Leistungsgewährung im Betrieb bzw. Betriebsteil, nicht auf die einzelnen Arbeitnehmer.  Soweit  also Arbeitnehmer in einem Kug- Gewährungszeitraum erst  später in die Kurzarbeit einbezogen werden,  kommt für sie ein Leistungsbezug  nur noch bis zum Ende des für den Betrieb bzw.  den Be- triebsteil möglichen Leistungszeitraums in Betracht.

Beispiel:

In einem Betriebsteil wird Kurzarbeit ab dem 1.4.2019 für die Dauer von 12 Monaten eingeführt. Einige Arbeitnehmer in diesem Betriebsteil werden erst zum 1.6.2019 in die Kurzarbeit mit einbezogen. Dies kann z.B. auch darin begründet sein, dass diese Arbeitnehmer zuvor ein Zeitguthaben „abfeiern“ mussten.

Lösung:

Diese Arbeitnehmer können refinanzierbares Kug nur für die Restdauer des mit Beginn der Kurzarbeit begründeten 12-Monats-Zeitraums erhalten, also für 10 Monate.

Sofern jedoch für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat Kug im Betrieb bzw. Betriebsteil nicht gewährt wurde, so erweitert sich die Frist um den entsprechenden  Zeitraum,  § 104  Abs.  2 SGB III. Wenn seit  dem letzten Kalendermonat, für den Kug gewährt worden ist, sogar drei Monate vergangen und die Anspruchsvoraussetzungen erneut gegeben sind, kann eine erneute Kug-Be- zugsfrist beginnen, § 104 Abs. 3 SGB III. Eine erneute Gewährung ist nur möglich, wenn dann alle Voraussetzungen zum Kug-Bezug wieder erfüllt sind. Insbesondere müssen auch die formalen Voraussetzungen des § 99 SGB III wieder erfüllt werden (Anzeige des Arbeitsausfalls, Stellungnahme der Betriebsvertretung etc.).

2 thoughts on “Kurzarbeitergeld

  1. Interessant, dass die maximale Bezugsdauer von Kug nach § 104 Abs. 1 SGB III 12 Monate beträgt. Ich habe nämlich mitbekommen, dass manche AN das schon seit mehr als einem Jahr bekommen. Weiterhelfen kann da wohl nur ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, falls einem mehr Gehalt zugestanden hätte.

    1. Der Blog will eine Übersicht über das Recht rund um Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung geben. Die Beratung durch einen Rechtsanwalt ersetzt das im Einzelfall nicht. Danke für Ihren Hinweis.

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