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Die Zahl der Solo-Selbstständigen im Handwerk ist seit der Reform der Handwerksordnung stark gestiegen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 19/6095) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Besonders deutlich werde dies beim Gebäudereiniger-Handwerk, in dem es vor Abschaffung des Meisterzwangs mit 154 Personen praktisch keine Solo-Selbstständigen gegeben habe. Deren Zahl stieg bis 2015 auf 18.989. Insgesamt stieg die Anteil der Solo-Selbstständigen in den zulassungsfreien Berufen von 25,8 auf 63,6 Prozent.

Wer sind Solo-Selbständige?

Solo-Selbstständige sind Unternehmerinnen und Unternehmer, die ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft vermarkten und auf die aus dieser Tätigkeit erzielte Vergütung existenziell angewiesen sind. Ihre Lebenssituation ähnelt der Situation von abhängig Beschäftigten. Kollektive Instrumente zur Stabilisierung oder Regulierung der Einkommen gibt es bei ihnen aber kaum oder gar nicht. Instrumente, die etwa Tarifverträgen bei abhängig Beschäftigten entsprechen, fehlen bei Selbständigen. Lediglich für wirtschaftlich abhängige Selbstständige/arbeitnehmerähnliche
Personen können Tarifverträge verhandelt werden (§ 12 a des TarifvertragsgesetzesTVG). Bei bestimmten freien Berufen regeln Honorarordnungen die Vergütung. Hinzu kommen mögliche Ansprüche aus dem Urheberrecht.

Hintergrund

Von den 1990er Jahren bis zum Jahr 2007 nahm die selbstständige Beschäftigung deutlich zu. Die Zahl der Selbstständigen stieg von 4 Millionen (2000) auf etwa 4,5 Millionen Erwerbstätige (2007) an. Nach einer Phase der Stagnation geht die Zahl selbstständig Erwerbstätiger seit 2012 nunmehr zurück. Im Jahr 2014 lag sie bei ca. 4,4 Millionen Personen. Diese Entwicklung wurde und wird maßgeblich getrieben von der Entwicklung bei den so genannten Solo-Selbstständigen, das heißt den Selbstständigen ohne Angestellte. Die Anzahl der Solo-Selbstständigen überstieg seit Anfang des 21. Jahrhunderts die Anzahl der Selbstständigen mit Angestellten (vgl. Klaus Brenke, Selbstständige Beschäftigung geht zurück, in: DIW-Wochenbericht 36/2015, S. 790 ff.; Alexandra Manske, Tine Scheffelmeier
(2015), Werkverträge, Leiharbeit, Solo-Selbstständigkeit – Eine Bestandsaufnahme, WSI-Diskussionspapier 195, S. 51 ff.).

Unabhängig von den strukturellen und politischen Gründen für den früheren Anstieg und den aktuellen Rückgang ist die Solo-Selbstständigkeit vielfach mit einer prekären Lage verknüpft. So haben Studien gezeigt, dass das Einkommen von Solo-Selbstständigen sehr unterschiedlich ausfällt: Sehr hohen Einkommen stehen sehr niedrige Einkommen gegenüber. Knapp 30 Prozent der Solo-Selbstständigen liegen in einem unteren Einkommensbereich bis 1 100 Euro Nettoeinkommen (Manske/Scheffelmeier 2015, S. 67). Brenke (a .a. O, S. 795) zeigt darüber
hinaus, dass seit 2011 der Anteil der Solo-Selbstständigen mit einem Bruttostundenlohn von unter 8,50 Euro (leicht) gesunken ist. Allerdings haben 25 Prozent aller Solo-Selbstständigen lediglich ein Einkommen, das unter diesem bescheidenen Niveau liegt.

Die soziale Sicherung von Selbständigen

Es mangelt bei Selbstständigen an gesellschaftlichen Mechanismen zur Garantie eines existenzsichernden Einkommens bei selbstständiger Erwerbstätigkeit und gegen (selbst-)zerstörerisches Sozialdumping als Mittel im (Preis-)Wettbewerb. Das soziale Sicherungssystem in Deutschland knüpft traditionell an den Status der abhängigen Beschäftigung an. In den Sozialversicherungssystemen werden die klassischen sozialen Risiken – Alter, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Erwerbsminderung, Pflegebedürftigkeit etc. – abgesichert und überwiegend paritätisch von Arbeitgebern und Beschäftigten finanziert. Selbstständige galten bislang dagegen nicht als schutzbedürftig und waren daher nicht in das solidarische System eingebunden – obwohl auch sie ihre Arbeitskraft auf dem Markt verkaufen müssen.

Der Zugang zu gesetzlichen sozialen Sicherungssystemen wurde ihnen erst spät und lediglich selektiv ermöglicht. So gilt seit 2009 eine nachrangige Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger (§ 5 Absatz 1, Nummer 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB). Seit 2006 gibt es eine begrenzte Möglichkeit für Selbstständige, sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung zu versichern. In der Rentenversicherung sind nach § 2 SGB V nur wenige Gruppen kraft Gesetzes pflichtversichert wie Handwerkerinnen und Handwerker, in Pflegeberufen Tätige, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Selbstständige mit einem Auftraggeber, Künstlerinnen und Künstler, Publizistinnen und Publizisten, Hebammen und Entbindungspfleger, Seelotsen und Küstenschiffer. Für Landwirte gibt es Überleitungsregelungen in die allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherungen. Andere Selbstständige können auf Antrag in die Rentenversicherung aufgenommen werden. Bis heute fehlt aber für Selbstständige ein gleichberechtigter Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen, der zum einen die Leistungen für die Selbstständigen öffnet und zum anderen die Selbstständigen gleichzeitig in eine solidarische Finanzierung des Sicherungssystems einbezieht, ohne sie finanziell zu überfordern. Insbesondere ist lediglich ein Viertel der Solo-Selbstständigen in ein obligatorisches System der Altersvorsorge einbezogen.

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